Pressemitteilungen von ICAN zum Thema
Das deutsche Verteidigungsministerium hat die USA laut Reuters offiziell um Klärung gebeten, ob der Eurofighter-Kampfjet künftig Atomwaffen einsetzen darf. Die Friedensnobelpreisträger ICAN und IPPNW fordern hingegen den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland und eine Beendigung der aus ihrer Sicht völkerrechtswidrigen Praxis der „nuklearen Teilhabe“. ►Pressemitteilung lesen
Welcher Atombomber soll angeschafft werden?
Laut Medienberichten hat das Verteidigungsministerium am 14.03.2022 bekanntgegeben 35 F-35-Kampfjets als Nachfolgesystem für den veralteten Tornado zu beschaffen. Die F-35 aus US-amerikanischer Produktion gilt als eines der modernsten Kampfflugzeuge auf dem Markt und ist technisch in der Lage auch als Trägersystem für Atomwaffen zu dienen.
Die Geschichte bis jetzt
Im Rheinland-Pfälzischen Büchel lagern ca. 20 US Atombomben, welche von der Bundeswehr im Rahmen der nuklearen Teilhabe im Ernstfall abgeworfen werden würden. Schon länger ist bekannt, dass diese in den kommenden Jahren durch eine neue Generation von Atombomben ersetzt werden sollen. Die Serienfertigung des neuen Atombombentyps B61-12 soll ab Mai 2022 starten [Sandia National Laboratories, 2. Februar 2022]. Die ersten Atombomben sollen dann ab 2023 in Europa stationiert werden. Gleichzeitig wird in Deutschland auf eine schnelle Entscheidung gedrängt, die Bundeswehr-Kampfflugzeuge, die als nukleare Trägersysteme für diese Bomben dienen, zu ersetzen. Das bisherige System, der Tornado, soll ab 2025 durch neue Atombomber ersetzt werden, die dann auch die neuen US-Atombomben einsetzten können. Bereits die letzte Verteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer hat die Frage diskutiert, welche Flugzeuge beschafft werden sollen. Im Juni 2018 fand eine politische Debatte im Bundestag zu dem Thema “Nukleare Teilhabe beenden – Atomwaffen aus Deutschland abziehen“ statt. Dabei wurde punktuell die Tornadonachfolge thematisiert.
Der Plan aus dem Verteidigungsministerium der letzten Legislaturperiode sieht vor, 93 neue Eurofighter, sowie 45 amerikanische F-18 Kampfjets zu beschaffen. Zur Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie wurde im Bundesverteidigungsministerium zunächst allein die Beschaffung von Eurofightern bevorzugt. Dazu hätte jedoch eine „Zertifizierung“ des Eurofighter als Atomwaffenträger bedurft. D.h. es hätten technische Änderungen nach Vorgaben der USA durchgeführt werden müssen. Da die USA über den Prozess der Zertifizierung bestimmen, ist Deutschland gezwungen, nun Kampfflugzeuge eines US-Herstellers zu kaufen.
30 Flugzeuge des Typs F-18 „Super Hornet“ sollen angeschafft werden, um künftig als Trägersysteme die nukleare Teilhabe Deutschlands sicherzustellen. Darüber hinaus sollen 15 Kampfjets des Typs EA-18G „Growler“ gekauft werden. Es handelt sich dabei um eine speziell für die elektronische Kampfführung ausgerüstete F-18. Sie soll die Bekämpfung gegnerischer Radaranlagen übernehmen. Gemeinsam mit den „Super Hornets“ würden sie bei einem Einsatz der Atombomben in den feindlichen Luftraum eindringen.
Eine ausführliche Einordnung mit den Entwicklungen bis Oktober 2020 findet ihr im ICAN Hintergrund.
Milliarden für die nukleare Aufrüstung
Der Kauf eines nuklearfähigen Kampfflugzeugs hat langfristige Auswirkungen und weitreichende Implikationen. Die Nutzungsdauer eines neuen Kampfflugzeugs beträgt mindestens 30 Jahre und eine Neuanschaffung ist mit erheblichen Kosten und Aufwand verbunden. Allein die Kosten für die F-18 Kampfflugzeuge werden auf ca. 12 Milliarden Euro geschätzt.
Das militärische nukleare Potential wird durch die weiterentwickelten Bomben und den Kauf neuer atomwaffenfähiger Kampfflugzeuge erhöht. Denn durch die Beschaffung eines neuen Trägersystems werden auch die deutlich erweiterten Fähigkeiten der B61-12 vollständig nutzbar gemacht. Es handelt sich daher um die bedeutendste nukleare Aufrüstung Deutschlands seit der Nachrüstung Anfang der 80er Jahre.
Bei einem Kauf neuer Atombomber, ist davon auszugehen, dass auch die US-Atomwaffen für weitere Jahrzehnte in Deutschland bleiben. Dies läuft dem Ziel einer atomwaffenfreie Welt zuwider. Die internationalen Bemühungen einer Mehrheit aller Staaten, konkrete Schritte bei der nuklearen Abrüstung zu unternehmen, würden einen deutlichen Rückschlag bekommen. Die Modernisierung der Atombomber würde zudem ein Hindernis für die Bundesregierung darstellen, dem Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beizutreten.
Mehrheit der Bevölkerung gegen den Kauf
Die deutsche Bevölkerung ist mehrheitlich gegen den Kauf neuer Kampfflugzeuge für den Atomwaffeneinsatz. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Greenpeace gezeigt. Demnach lehnen 71 Prozent der Deutschen die Anschaffung von Atombombern ab, nur 19 Prozent sind dafür, 10 Prozent haben keine Meinung. Friedensgruppen aus den ehemaligen Pershing-II-Standorten fordern in einem Offenen Brief an Bundestag und Bundesregierung keine neue Aufrüstung einschließlich der Beschaffung neuer Trägerflugzeuge für die US-Atomwaffen in Deutschland zu verfolgen.
Die Kampagne Atombomber? Nein Danke!
Mit der Kampagne „Atombomber? Nein Danke!“ fordern wir, den Entscheidungsprozess zur Beschaffung auch öffentlich zu debattieren, damit statt neue Atombomber – egal welches Modell – für Deutschland zu kaufen, die nukleare Abrüstung vorankommt.
Bereits Ende 2018 haben IPPNW, ICAN und die Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“ daher an das einen offenen Brief an das Bundesverteidigungsministerium geschrieben und gefordert, keine neuen Flugzeuge für den Atomwaffeneinsatz zu beschaffen.
Seitdem haben wir mit einer Mailingaktion auch Abgeordnete gefragt, wie sie zu dem Thema stehen und werden weiterhin gegenüber der neuen Bundesregierung dafür eintreten, dass keine nuklearwaffenfähigen Trägersysteme angeschafft werden.